Geschichte Pferdezuchtverein 1923 bis zum Neubeginn nach dem 2. Weltkrieg im Jahre 1948

 

 

Steingaden, anno  M C M X C V I I I

 

 

Zur Vorgeschichte

 

Schon im Jahre 1818, also bald nach Errichtung des jungen Königreichs Bayern, wurden vom Staat im ganzen Land Beschälstationen eingerichtet. Dem bayerischen König war sehr daran gelegen, daß in seinem Lande gute und gesunde Pferde gezüchtet wurden, nicht zuletzt auch wegen des ständigen Bedarfs an Militärpferden, vor allem in Kriegszeiten.

 

Der Betrieb dieser „Platten“, wie diese Stationen damals genannt wurden, war in eigenen Gesetzen und Verordnungen genauestens vorgeschrieben. Die Zeit und Art der Gauritte war ebenso exakt vorgegeben, wie Prämierungen mit attraktiven Preisen, die als Ansporn für gute Zucht alljährlich durchgeführt werden mußten. Besonders erwähnt werden muß, daß das Decken der Stuten bei diesen Beschälstationen kostenlos war.

 

Zur gleichen Zeit wurden in Bayern auch mehrere „Fohlenhöfe“ eingerichtet, einer davon wie uns bekannt in Steingaden. In diesen „Remontedepots“ wurden jedoch nie Pferde gezüchtet, sondern nur die angekauften Jungpferde für das Militär abgerichtet und ausgebildet.

 

Wegen der nachlassenden Bedeutung der Pferde für das Militär, aber auch aus Kostengründen, wurden ab dem Jahre 1880 nach und nach diese Fohlenhöfe wieder aufgelöst.

 

Der Betrieb der staatlichen Beschälstationen wurde jedoch noch bis über die Zeit des 1.Weltkrieges weitergeführt, dann wurde auch hier der Rotstift angesetzt und beim Abgang von älteren oder nicht mehr angekörten Zuchthengsten diese „Platten“ aufgelöst.

 

 

Die Gründung der Steingadener Genossenschaft

 

Bei der Frühjahrskörung des Jahres 1922 in Schongau geschah es, daß der Hengst für die Gemeinden Fronreiten und Prem nicht mehr angekört wurde und diese Gemeinden nun ohne Deckhengst dastanden. Die staatliche Beschälstation für die Gemeinden Urspring und Lauterbach bestand zu dieser Zeit noch, doch war das Decken der Stuten natürlich schon längst nicht mehr kostenlos. Das Deckgeld wurde wegen der damaligen schlechten Wirtschaftslage in Natura erhoben und betrug pro gedeckter Stute 3 Zentner Hafer, was allen als viel zu hoch erschien.

 

Aus diesen Gründen trafen sich am 21. Januar 1923 unter Vorsitz des damaligen Distriktstierarztes Hans Meißner, im Postsaal in Steingaden 91 interessierte Pferdebesitzer, um über die Gründung einer eigenen Hengstzuchtgenossenschaft zu beraten. Diese war gemeinsam für die vier Gemeinden Urspring, Lauterbach, Fronreiten und Prem geplant.

 

Es war schon tiefe Inflationszeit und so wurde ausgerechnet, daß die für das Jahr 1923 notwendigen 600 Zentner Deckgeldhafer, in den vier Gemeinden wurden ca. 200 Stuten gehalten, rund 14 Millionen Mark kosten würden. Zwei Hengste konnte man schon um etwa 8 Millionen Mark bekommen, also wäre der Kaufpreis für die Hengste schon nach einem Jahr fast wieder eingespart.

 

Diese Argumente überzeugten die Anwesenden und so wurde an diesem 21. Januar 1923 mit Mehrheit der Teilnehmer an dieser Versammlung die “Hengstzuchtgenossenschaft Steingaden“ gegründet. Noch am gleichen Tage wurde die Vorstandschaft mit Auschuß gewählt und gleichzeitig beschlossen, unverzüglich 2 Hengste zu kaufen. Daß einige kritische Versammlungsteilnehmer als „räudige Schafe“ bezeichnet wurden, ist wohl eher der damaligen Gründungseuphorie als wirklicher Feindseligkeit zuzuschreiben.

 

 

Das ereignisreiche erste Jahr

 

Nach mehrmaliger Beratung und einer abschließenden Rücksprache mit der Landesgestütsverwaltung fuhren acht Mitglieder der Genossenschaft nach Erding. Dort erstanden sie 2 Hengste um den „günstigen Preis“ von 7 500 000 Mark. Die Daheimgebliebenen konnten es kaum erwarten, bis endlich am 4. Februar 1923 die stolzen Einkaüfer mit ihren beiden Tieren in Steingaden eintrafen.. Als Hengsthalter stellte sich großzügig die Graf Dürckheim´sche Gestütsverwaltung im Fohlenhof zur Verfügung.

 

Fünf weitere Versammlungen wurden bis zum 15. August 1923 noch abgehalten, um alle noch offenen Probleme zu lösen. Die wichtigsten dabei erzielten Beschlüsse sind nachfolgend kurz aufgezählt.

 

- Von den Mitgliedern der Genossenschaft konnten Anteilscheine zu je 40000 Mark erworben werden, auch konnten schon Deckgeldvorschüsse in Höhe von 20000 Mark einbezahlt werden. Die Begeisterung war groß, und so waren bis zum 5. Februar 1923 schon 5 500 000 Mark auf dem Konto der Genossenschaft gutgeschrieben.

 

- Schon am 25. Mai 1923 wurden die neuerstellten gedruckten Statuten an die Mitglieder verteilt. Der Name der Genossenschaft war nun endgültig festgelegt und lautete „Pferdezuchtgenossenschaft Steingaden“.

 

- Sieben neue Mitglieder aus der Ortschaft Riesen hatten sich der Steingadener Genossenschaft angeschlossen, sie waren ihrer bisherigen Beschälstation in Peiting untreu geworden.

 

- Für den 28. September 1923 wurde eine Pferdeprämierung im großen Stile geplant. Da eine Musik von 25 Mann nicht fehlen sollte, wurde jeder „bessere Bauer“ gebeten, 1 Pfund Butter oder den Wert desselben zu stiften.

- Die Inflation mit ihrer Steigerung von 20 Prozent pro Woche trieb seltsame Blüten. Die am 16. Juni 1923 gekauften 60 Zentner Hafer kosteten die bescheidene Summe von 6 600 000 Mark. Das Decken einer Stute kostete inzwischen 120 000 Mark, was jedoch von den Mitgliedern als „lächerlich und viel zu niedrig“ angesehen wurde.

 

- Für die Hengste wurden feste Wochenrationen festgelegt, sie betrugen pro Hengst 75 Pfund Hafer.

 

- Ein sehr weiser und kluger Beschluß war die vorgenommene Rückzahlung von 135 Anteilscheinen. So gab es nun nur noch von jedem der 113 Mitglieder einen einzigen Anteilschein. Dadurch wurde erreicht, daß jedes Mitglied am Vermögen der Genossenschaft in gleicher Höhe beteiligt war. Auch neu hinzukommende Mitglieder mußten einen solchen Anteilschein zeichnen, dieser Betrag galt dann auch gleichzeitig als Aufnahmegebühr. Mit dieser Regelung wurde vielen Unstimmigkeiten und möglichen Streitereien schon von vorneherein der Boden entzogen.

 

 

Ruhige Jahre von 1924 bis 1938

 

Die Inflationszeit war zu Ende gegangen und so kehrten endlich wieder normale Verhältnisse im Lande, ebenso in der Genossenschaft ein.

 

Alljährlich wurde im Frühjahr eine ordentliche Generalversammlung abgehalten, die jeweils von etwa 50 bis 60 Mitgliedern besucht wurde. Bei diesen Versammlungen legte die Vorstandschaft Rechenschaft über ihre Tätigkeiten im vergangenen Jahr ab, nur selten tauchten dabei größere Probleme auf. Wichtigere Beschlüsse aus dieser Zeit sind nachfolgend in Stichworten aufgezählt.

 

- 1924 wurde ein Ausflug zum Staatsgut Schwaiganger durchgeführt. Ein dritter Hengst wurde gekauft, somit waren nun immer 2 Hengste auf dem Gauritt, ein Hengst blieb auf der Platte.

 

- 1925 wurde das Deckgeld pro Stute auf 16 Mark, inclusive 1 Mark Trinkgeld für den Gaulreiter festgelegt, für Schwarzdecken wurde den Stutenbesitzern eine Strafe von 50 Mark angedroht.

 

- 1927 wurde wegen der schlechten Zahlungsmoral vieler Mitglieder, solchen Säumigen mit dem Amtsgericht gedroht. Wegen der damaligen schlechten Wirtschaftslage wurde das Deckgeld auf 12 Mark ermäßigt. Ein Mitgliederbeitrag von 2 Mark pro Jahr wurde eingeführt.

 

- 1928 wurde die Hengsthaltung in die Poststallung verlegt. Das Deckgeld wurde wieder auf 16 Mark erhöht und war bereits beim ersten Sprung zur Zahlung fällig. Ein Deckregister wurde eingeführt. Eine Haftpflichtversicherung wurde abgeschlossen. Wildsteig wollte ebenfalls der Pferdezuchtgenossenschaft Steingaden beitreten, nach einigen Verhandlungen wurde jedoch davon wieder Abstand genommen.

 

- 1931 wurde das Deckgeld auf 15 Mark festgelegt. Der Mitgliedsbeitrag wurde auf 1 Mark pro Jahr ermäßigt. Ein größerer und stärkerer Hengst soll angeschafft werden, evtl. statt einem Oberländer ein Pinzgauer.

 

- 1932 wurde ein Pferdepflegekurs durchgeführt. Der 2. Rottenbucher Markt wurde begrüßt, wegen Hebung des Fohlen- und Pferdeabsatzes.

 

- 1934 wurden 186 Stuten gedeckt.

 

-1935 wurde dem Hengsthalter Franz Lutz pro Jahr und Hengst ein Zuschuß von 100 Mark genehmigt.

 

- 1937 wurden 232 Stuten gedeckt. Bei den Versammlungen waren nun meist 80 bis 90 Mitglieder anwesend!!

 

- 1938 soll wegen der hohen Zahl von 259 Deckungen wieder ein 3. Hengst gekauft werden.

 

 

Die Krieg- und Nachkriegszeit

 

Wieder befand sich Deutschland im Krieg. Die Auswirkungen waren auch sogleich für die Mitglieder der Genossenschaft zu spüren. Nicht weniger als 64 Stuten mußten sofort zu Kriegsbeginn 1939 abgeliefert werden. Auch wurde wegen dem Mangel an Rohstoffen, infolge strenger staatlicher Bewirtschaftung, wieder eine Abgabe von 25 Pfund Hafer neben dem Deckgeld von 20 Mark, ab 1944 dann 40 Mark, eingeführt.

 

Doch trotz aller Wirren der Kriegs- und später Nachkriegszeit blieb die Pferdezuchtgenossenschaft weitgehend vom Kriegsgeschehen verschont. Die hohe Bedeutung von Pferden in schlechten Zeiten brachte sogar eine gewisse Belebung in die Pferdezucht. Gestützt wurde diese während des Krieges vom „Reichsnährstand“, der für die Versorgung der Bevölkerung zuständig war, in den ersten Jahren nach dem Krieg in ähnlicher Weise durch die „Militärregierung“.

 

Da im Zeitraum von 1939 bis 1947 nur noch 2 Versammlungen der Genossenschaft stattfanden, ist leider wenig über den damaligen allgemeinen Geschäftsbetrieb überliefert. Interessant die noch bekannten Deckzahlen, sowie deren Erfolg aus dieser Zeit.

 

Gedeckt            1939               - 258               Fohlen            -

                        1940               - 246                                       -

                        1941               - 245                                       -

                        1942               - 286                                       -

                        1943               - 293                                       -

                        1944               - 309                                       - 141

                        1945               - 293                                       - 192

                        1946               - 344                                       - 128

 

Bis zum Jahre 1947 war in Deutschland jede Vereins- und Genossenschaftstätigkeit offiziell verboten, doch im April 1947 trafen sich 50 ehemalige Mitglieder, um endlich eine Wiederbelebung der Pferdezuchtgenossenschaft Steingaden in Angriff zu nehmen.

 

Der Neubeginn wurde ein voller Erfolg, man machte Revision über die vergangenen 8 Jahre, wählte eine neue Vorstandschaft, entwarf eine der neuen Zeit angepaßte Satzung und beschloß außerdem, wegen der hohen Deckzahlen sofort einen 4. Hengst zu kaufen.

 

Alle diese Aktivitäten mußten zwar noch bei der zuständigen Militärregierung in Schongau gemeldet werden und vor allem eine Lizenzierung der Genossenschaft beantragt werden, doch von dort kam grünes Licht und so konnte bei der Generalversammlung im Jahre 1948 wieder  „Normalbetrieb“  bekanntgegeben werden.

 

Hier endet die Chronik „25 Jahre Pferdezuchtgenossenschaft Steingaden“. Eine Weiterführung der Chronik für die Zeit ab 1948, soll den noch lebenden Zeitzeugen vorbehalten bleiben.

 

 

Hengste der Genossenschaft bis 1948   

 

Exzelsior

Gekauft im Jahre 1923 in Erding, mit Hengst  Pfeil  um 7 500 000 Mark

Verkauft im Jahre 1926 um 1200 Mark an das Stammgest. Schwaiganger 

 

Pfeil

Gekauft im Jahre 1923 in Erding, mit Hengst Exzelsior um 7 500 000 Mark

Verkauft im Jahre 1929 um 200 Mark an Andreas Weingand, Rottenbuch

 

Hörmann

Gekauft im Jahre 1924.

Verkauft im Jahre 1926 um 800 Mark an Kaspar Vogel in Staltannen

 

Pfennig

Gekauft im Jahre 1926 um 3000 Mark vom Stammgestüt Schwaiganger. Der 2 ½ jährige Hengst war ein „Pfeffersohn“.

Verkauft im Jahre 1942

 

Zero

Gekauft im Jahre 1929 um 4000 Mark vom Stammgestüt Schwaiganger, 2 ½ jähriger Fuchshengst, Abstammung -Vater Hermelin aus Junkerstute

Verkauft im Jahre 1935

 

Prüfstein

Gekauft im Jahre 1934

Verkauft im Jahre 1940 um 2000 Mark

 

Pollak

Gekauft im Jahre 1938 um 7500 Mark bei einer Auktion in München, er war dort Siegerhengst, 1a Preis, stammt von der Pfeillinie, Vater Prophet

Vorstandschaft und Ausschuß von 1923 bis 1948

 

1. Vorstände

1923 - 1925           Meißner Hans

1925 - 1947           Lutz Franz

1947 -                    Beer Michael

 

2. Vorstände

1923 - 1925           Lutz Franz

1925 - 1927           Oswald Georg

1927 - 1947           Beer Michael

1947 -                    Echtler Peter

 

Schriftführer (bis 1927)

1923 - 1927           Reichhart Josef

 

Kassiere (bis 1947, seit 1927 gleichzeitig Schriftführer)

1923 - 1925           Oswald Georg

1925 - 1927           Reichhart Josef

1927 -    ? +           Oswald Georg

 

Geschäftsführer (seit 1948, statt Schriftführer und Kassier)

1948 -                     Schweiger Michael

 

Beschälwärter

1923 -                     Franz Michael

1924 -                     Demmel Georg

1927-                      Osterried

1927 -                     Mößmer Thomas

 

 

Ausschußmitglieder

 

1923 - 1928            Niggl Karl

1923 - 1947            Streif Wilhekm

1923 - 1937            Martin Franz

1923 -    ?               Eicher Martin

1923 - 1948            Lutz Rudolf

1923 - 1933            Vogel Kaspar

1923 - 1926            Echtler Max

1923 - 1928            Franz Andreas

1923 - 1948            Moser Heinrich

1923 - 1948            Holzmann Michael

1926 -    ?               Geiger Magnus

1927 -    ?               Gschwilm - Tierarzt

1928 -                     Mößmer Thomas

1928 -                     Köpf Johann

1928 -                     Niggl Gottfried

1928 -    ? +            Müller Max

1933 -                     Brennauer Georg

1937 -                     Martin Josef

1942 -    ?               Kees Josef

1947 -                     Christa Simpert

1947 - 1948            Streif Michael