Chronik des Staltanner Anwesens "beim Welzler"
Vorwort
Das Anwesen "beim Welzler" in Staltannen weist eine recht interessante Geschichte auf. Im Gegensatz zu den sonstigen, meist nur landwirtschaftlichen Anwesen, war dort über lange Zeit neben der Ökonomie auch eine Warenhandlung untergebracht, in der damaligen Schreibweise eine
"Crämerey mit Kurz und Langer War"
Aber auch durch eine weitere Tatsache, nämlich als das Elternhaus eines später hingerichteten dreifachen Raubmörders, gelangte das "Welzleranwesen" zu einer traurigen Berühmtheit.
Die Anfänge dieses Anwesens liegen in der Zeit um 1400, als im Bereich der Klosterhofmark Steingaden eine Vielzahl solcher Sölden errichtet wurden. Zum einen wollte man dadurch gute Handwerker an das Kloster binden, aber auch zusätzliche Steuerzahler bekommen.
Ab dem Jahre 1594 sind die Namen der jeweiligen Hofbewirtschafter des Welzleranwesens" urkundlich lückenlos nachweisbar. Am Anfang waren es Hofbetreiber im Lehen, also Pächter, ab dem Jahre 1714 dann Erbberechtigte, nun schon Hofinhaber mit verbesserten Grundrechten, jedoch noch immer unter klösterlichem Oberbesitz und ab 1803, dem Jahr der Säkularisation in Bayern erst volle Eigentümer ihrer Höfe.
Die Familie Strauß
Im Jahre 1594
Erste urkundliche Erwähnung der sog. Schneider-Sölde in Staltannen. Als Bewirtschafter ist ein Georg Strauß genannt, er war Schneidermeister im Kloster Steingaden. Der Viehbestand einer solchen Sölde waren damals 2 Kühe.
Um das Jahr 1620
Übergabe an den Sohn Johann Strauß, auch dieser war wie schon vorher sein Vater Schneidermeister im Kloster Steingaden.
Am 6. August 1668
Dessen Sohn, Johann Strauß jun., heiratet nach Ablegung seiner Schneider-Meisterprüfung eine Agatha Baur aus Thal bei Steingaden.
Am 12. Dezember 1668
Nach dem Ableben des Vaters Johann Strauß sen, übernimmt der Sohn Johann Strauß jun. die Schneider-Sölde in Staltannen. An das Kloster Steingaden muß er aus diesem Grund 4 Gulden Anfall (Einstand) bezahlen.
Am 6. März 1711
Nach dem Tod von Johann Strauß jun. wird die Sölde, da keine Erben vorhanden waren, vom Kloster Steingaden an einen Norbert Promberger übergeben. Als Einstandsgeld werden 7 Gulden festgelegt.
Die Familie Schwaiger
Am 8. Juli 1714
Nach dem Ableben des Norbert Promberger heiratet die Witwe Euphrosina Promberger den Steingadener Kloster-Schneidermeister Andreas Schwaiger.
Am 13. Juli 1714
Das Kloster verkauft nun die Schneider-Sölde, die dem verstorbenen Norbert Promberger nur als Lehen, also auf Pacht, übergeben gewesen war, dem Andreas Schwaiger. Dieser stammte vom Steingädeler Anwesen "beim Welz" (nach einem früheren Besitzer mit diesem Familiennamen so genannt) ab. Andreas Schwaiger brachte den Hausnamen "Welzler" mit auf die Sölde in Staltannen, der sich im Volksmund dort bis zum heutigen Tag erhalten hat, ebenso wie auch der Hausname "Welz" auf dem Stammhof in Steingädele. Das Kloster Steingaden verlangte als Einstand 5 Gulden, sowie die vom Vorgänger noch nicht bezahlten 7 Gulden, also insgesamt 12 Gulden. Offensichtlich war auch schon zu damaligen Zeiten die Zahlungsmoral nicht sehr gut.
Der neue Hofinhaber schien zum einen finanziell recht gut betucht zu sein und zum anderen einen guten Weitblick zu haben, denn gleich nach der Übernahme eröffnete er in der Schneider-Sölde zu Staltannen eine "Crämerey". Er hatte die günstige Lage nahe der Wallfahrtskirche Ilgen und auch die am Haus vorbeiführende Rottstraße richtig eingeschätzt. Das Geschäft lief glänzend und die Umsätze waren gut.
Im Jahre 1732
Andreas Schwaiger erbaute an Stelle der "paufälligen Söld" wie sie damals beschrieben wurde, ein prächtiges neues Haus aus Stein, einen Prachtbau zwischen den damals noch bescheidenen Holzhäusern. Außer einem landwirtschaftlichen Hausteil wurde auch eine neue großzügig ausgelegte Krämerei mit mehreren Warenmagazinen eingerichtet. Als Baukosten sind 1000 Gulden angegeben, damals eine gewaltige Summe für ein Haus. Dazu lieh er sich vom Kloster Steingaden 400 Gulden an Geld und Material, die nach den vorhandenen Aufzeichnungen von ihm schon nach 8 Jahren zurüchbezahlt wurden. Das heutige "Welzleranwesen" geht im Grundaufbau noch auf den damaligen Neubau zurück.
Zwischen 1740 und 1745
Nach offenbar weiterhin geschäftlichem Erfolg kauft Andreas Schwaiger in diesen Jahren mehrere landwirtschaftliche Grundstücke im Schwarzegg, in Boschach und in den Ilgenwiesen gelegen zum "Welzleranwesen" dazu.
Am 17. März 1745
An diesem Tag kauft Andreas Schwaiger zusätzlich zu seinem Haus das Nachbaranwesen "beim Bock" in Staltannen dazu. Vorbesitzer war dort ein Franz Vilser gewesen. Als Einstand muß er recht stolze 14 Gulden bezahlen.
Am 13. Mai 1757
Andreas Schwaiger verkauft diesen Besitz wieder weiter. Käufer und somit nun neuer Inhaber der Sölde "beim Bock" war ein Michael Otto Bußjäger.
Am 12. Mai 1760
Andreas und Euphrosina Schwaiger übergeben das "Welzleranwesen" in Staltannen an ihren am 14. April 1731 geborenen Sohn Wilhelm Schwaiger, ebenfalls von Beruf Schneidermeister. Im Übergabevertrag wird der Austrag für die Eltern niedergeschrieben, sie erhalten 1000 Gulden !! und den freien Unterhalt im Haus. Außerdem wurden einige Grundstücke für sie ausgenommen. Es wird auch das Elterngut für den in Lauterbach lebenden Sohn Norbert Schwaiger, sowie für die Tochter Annastasia, die mit Sebastian Oettl einem Handelsmann, Bräu und Mahlmüller in Schongau verheiratet war genau festgelegt. Als Einstand werden vom Kloster 8 Gulden gefordert.
Am 17. Juni 1760
Wilhelm Schwaiger heiratet nach Übernahme des "Welzleranwesens" Maria Barbara Cramer, die Tochter des ehemaligen Marstallers im Kloster Steingaden. Die Braut brachte stolze 400 Gulden Heiratsgut mit in diese Ehe.
Am 26. Juni 1769
80jährig verstirbt der Gründer der Staltanner Krämerei und jetzige Austrägler Andreas Schwaiger.
Am 26. August 1773
Nachdem am 2. April 1773 völlig überraschend Wilhelm Schwaiger, Kramer und Schneidermeister von Staltannen, Vater von sechs unmündigen Kindern verstirbt, macht die Witwe Maria Barbara Schwaiger einen Elterngut-Vertrag im Umfang zu 1000 Gulden mit den 6 Kindern, Theodor 14, Maria 7, Ursula 6, Andreas 4, und Sebastian 1 ½ Jahre alt, sowie Wilhelm erst 5 Wochen alt.
Am 13. September 1773
Die Witwe Maria Barbara Schwaiger heiratet in zweiter Ehe Franz Xaver Horner, Handelsmann von Murnau. Dessen Vater war Warenhändler und Posthalter in Murnau. Der Bräutigam brachte 200 Gulden Heiratsgut mit in diese Ehe. Als Trauzeugen sind die recht honorigen Herren Romanus Mayr, Postwirt in Steingaden und der dortige Müllereibesitzer Chrisostomus Höldrich genannt, was auf das damalige hohe Ansehen der Staltanner Familie Schwaiger schließen läßt. Als Eistandsgeld werden vom Kloster 20 Gulden einkassiert
Schwere Zeiten für das Welzlerleranwesen
Ab dem Jahre 1780
Wie nahe oft Glück und Unglück in einem Haus beisammenliegen zeigen diese Jahre bei der Familie Schwaiger in Staltannen. Der Sohn Andreas gerade 12 Jahre alt, gerät nach und nach völlig auf eine kriminelle Laufbahn. Beginnend mit kleinen Diebstählen im eigenen Haus, sich fortsetzend mit schweren Einbrüchen und endend mit einem dreifachen Raubmord. Andreas Schwaiger wurde wegen dieser Taten im Jahre 1790, nur 23jährig, in Kaufbeuren durch das Rad hingerichtet.
Diese Tragödie führte zum völligen geschäftlichen und finanziellen Untergang der bisher so erfolgreichen Staltanner Händlerfamilie Schwaiger. In den ersten Jahren hatten die Eltern noch versucht durch das Ersetzen der entstandenen Schäden den Sohn wieder auf den rechten Weg zu bringen. Doch bald waren alle Mittel aufgebraucht, das Geschäft ruiniert und völlig verschuldet. Dies führte dazu, daß nur noch durch den Verkauf des "Welzleranwesens" eine Lösung gefunden werden konnte.
Am 5. März 1787
Vor Gericht traf sich die Familie Schwaiger-Horner aus Staltannen sowie deren Verwandte, Norbert Schwaiger aus Lauterbach und Annastasia Oettl, geb Schwaiger aus Schongau, um den Hornerischen Hausverkauf ins Reine zu bringen.
Zwar gab es ein Kaufangebot für das Anwesen, es lautete über 1300 Gulden und stammte vom ehemaligen Steingadener Klosterbräumeister Sebastian Geiger, doch verlangte dieser die völlige Raümung des Hauses. Dies konnten und wollten jedoch die Verkäufer nicht annehmen, da die kinderreiche Familie ja stark verschuldet war,auch waren zu den 6 Stiefkindern noch zwei eigene Kinder dazugekommen und sie keine Möglichkeit sahen anderswo unterzukommen. In dieser schwierigen Situation entschloß sich nun Annastasia Oettl, geb. Schwaiger die ja wie bekannt in Schongau verheiratet und recht vermögend war, zum Kauf des Hauses. Das Kloster Steingaden war dabei nicht besonders gnädig und verlangt stolze 15 Gulden an Einstandsgeld.
Durch Annastasia Oettl wurde mit 1200 Gulden Barschaft die völlig verfahrene Situation gerettet. Neben der Bezahlung aller noch offenen Schulden, der Absicherung der Mitgift für die noch unversorgten Kinder, sowie der Erledigung von sonstigen offenen Forderungen wurde dieses Familienschicksal wieder ins Reine gebracht. Annastasia Oettl blieb weiterhin in Schongau wohnhaft und das Haus in Staltannen konnte somit von der Familie Horner weiter bewohnt werden. Außerden wurde zum "Aufhelfen des Hauswesens" von Annastasia Oettl ein ansehnlicher Betrag beigesteuert.
Viele Besitzerwechsel
Am 12. Februar 1795
Annastasia Oettl wollte, da sie alt und krankheitshalber nicht mehr vor Gericht erscheinen konnte, ihre Besitzverhältnisse in Staltannen regeln. Deshalb gab sie vor dem Stadtmagistrat von Schongau folgendes zu Protokoll: Das Anwesen in Staltannen geht durch Kauf um 1800 Gulden in den Besitz von Josef Sturm, gewesener Hammerschmied in Steingaden-Neuhaus über. Der Kaufpreis ist durch diverse Abrechnungen aus den Jahren 1792 und 1795 schon befriedigt. Sollte Josef Sturm das Anwesen später wieder teurer weiterverkaufen, so ist der Mehrbetrag nicht Sturm, sondern Annastasia Oettl zuzuführen.
Als ihr wichtigstes Anliegen wurde festgelegt, daß auch zukünftig die Hornerischen Eheleute und deren Kinder lebenslange freie Wohnung in diesem Hause behalten.
Der neue Besitzer Josef Sturm, der das Haus in Staltannen nicht selbst bewohnte, er hatte diesen Besitz nur als Geldanlage erworben, vermietete jedoch dort eine Wohnung an den damaligen Steingadener Schulmeister Lori.
Im Jahre 1803
Durch die Säkularisation in Bayern und der damit verbundenen Aufhebung des Klosters Steingaden, wurde das Anwesen in Staltannen nun vollständiger Eigenbesitz des Josef Sturm. Zuvor hatte das Kloster noch immer das sog. Obereigentum wahrgenommen, was bedeutete, daß Zehentabgaben zu leisten waren und man auch Arbeiten für das Kloster, die sog. Schardienste, verrichten mußte. Als Ersatz für diese weggefallenen Leistungen mußten jetzt jedoch Steuern an den Staat bezahlt werden.
Im Jahre 1809
In einem neuerstellten Grundsteuerkataster wurden die neuen Steuern festgesetzt und auch der Wert der einzelnen Anwesen geschätzt und niedergeschrieben. Dort ist auch nachzulesen, daß auf dem "Welzleranwesen" jetzt nur noch eine Ökonomie betrieben wurde. Bei der gleichzeitig erfolgten Zuteilung von Hausnummern, neben den noch immer gültigen Hausnamen, bekam das "Welzleranwesen" die Nr. 42 in der neugeschaffenen politischen Gemeinde Lauterbach.
Zwischen 1809 und 1824
In dieser Zeit ging das "Welzleranwesen" in den Besitz der Eheleute Josef Anton und Barbara Lang über.
Am 10. Oktober 1838
Nach dem Ableben der Eheleute Josef Anton und Barbara Lang übernimmt deren Tochter Katharina Lang das "Wezleranwesen".
Am 10. Juli 1839
Katharina Lang heiratet Michael Riegg von Staltannen. Dieser stammte vom dortigen Anwesen "beim Heislmann".
Im Jahre 1844
In einem neuen Grundsteuerkataster sind erstmals alle zu diesem Hof gehörenden Grundflächen nach den noch heute gültigen Plannummern aufgelistet. Es waren dies damals die Plannummern 261, 262, 260 ½, 374a, 374b, 376a, 376b, 379, 380, 381, 391, 453 sowie ein Anteil an der Staltanner Viehweide. Dazu kam noch ein Teilbesitz an Weideflächen zusammen mit anderen Staltanner Hofbesitzern. Der Gesamtbesitz des "Welzleranwesens" betrug 20,64 Tagwerk.
Am 14. Februar 1867
Die Tochter Katharina Riegg übernimmt das "Welzleranwesen". Durch Ehevertrag wird ein Kaspar Krönauer Mitbesitzer in allg. Gütergemeinschaft. Die Gesamtgröße betrug damals noch 18,76 Tagwerk.
Die Familie Niggl
Am 5. Januar 1872
Die Eheleute Kaspar und Katharina Krönauer vertauschen ihr Staltanner Anwesen "beim Welzler" gegen das Lauterbacher Anwesen "beim Schwed". Neuer Besitzer des "Welzleranwesens" wird dadurch das Ehepaar Josef Anton und Barbara Niggl. Diese bringen Grundflächen von insgesamt 27,28 Tagwerk Größe von ihrem Lauterbacher Besitz mit nach Staltannen. Die neue Gesamtgröße beträgt jetzt 46,04 Tagwerk.
Am 23. Oktober 1873
Nach dem Ableben des Josef Anton Niggl wird Barbara Niggl Alleinbesitzerin des "Welzleranwesens".
Am 16. April 1875
Barbara Niggl überläßt das "Welzleranwesen" ihren beiden Kindern Josef und Katharina Niggl.
Am 16. Oktober 1878
Nach erfolgter Erbauseinandersetzung wird Josef Niggl Alleinbesitzer des "Welzleranwesens". Er heiratet daraufhin eine Josefine Mayr.
Am 18. April 1883
Nach nur 4jähriger Ehe verstirbt Josef Niggl, dadurch wird die Witwe Josefine Niggl nun Alleinbesitzerin des "Welzleranwesens".
Am 27. Dezember 1883
Die Witwe Josefine Niggl heiratet in zweiter Ehe einen Anton Krannewitter.
Im Jahre 1891
Ein Stallanbau und eine vergrößerte Heueinlage wird erstellt.
Zwischen 1893 und 1899
Durch diverse Grundstücks-Zukäufe erreicht das "Welzleranwesen" die beachtliche Gesamtgröße von 71,65 Tagwerk.
Die Familie Wörle
Am 13. Februar 1919
Übergabe an die Tochter Magdalena. Durch Ehevertrag wird Georg Wörle Mitbesitzer des "Welzleranwesens".
Im Jahre 1924
Neubau einer Remise.
Am 5. Mai 1926
Als nunmehrige Besitzer des "Welzleranwesens" werden Georg und Katharina Wörle im Grundbuch eingetragen.