Dokumentation

 

Buchstabengetreue Textübertragung eines Zimmermann-Spruchs vom Jahre 1879

 

 

Zimmermans Spruch am aufrichten.

 

Mäister, hab Ich verlaub auf diesen Bau zu steigen

oder soll Ich drunthen bleiben.

Inn Gottes Nammen steig Ich auf diesen Bau

wo Ich zuerst gegen den Himmel schau.

Und wende mich an den Hernn Jesukriest.

der allzeid der beste Helfer ist.

Nun kommt mit mihr ihr Gessellen

jetzt wollen Wühr uns auf diesen Näubau stellen.

 

§ 1

Nun bin Ich an dieser stelle angelangt,

vor Euch die ihr mühr alle wohl bekant.

Nun soll Ich mich als redner Brodizihren,

ich werde mich aber manchmahls ürren.

Ihr mist mich aber nicht verlachen,

den daß sind bei mihr keine alltagsachen.

Ich werde meine Sache machen so gut ich kann

und fang imm nammen Jesu an.

 

§ 2

Ich hab nun häute die Ehre diesen Bau zu Meßen ab

und ihr seit da bies ich es verrichthet hab.

O - Vatter imm Himmel oben,

dich wüll ich zuerst über alles loben.

Denn diehr gebürth allein die Ehr,

du bist ja unser aller Herr.

Diehr danke ich dier danken Wühr,

die Wühr versammelt sind dahier.

Denn mit deiner Hilf sind Wühr nun soweit gelangt,

das kein Unglük ist uns bekant.

 

§ 3

Jetzt soll ich nun nach altem Brauch und Süte

vieles sprechen hir in eurrer Müte.

Aber diese Gabe nur allein,

wird von Gott dem Hern gegeben sein.

Den nur von Im komt Kunst u. Beredsamkeit,

bei jungen wie bei alten Läit.

Aufgerichtet ist nun dieser Bau

nach winkel Maß u. Bläi.

Das in ein jeder wohl beschau

das ehr auf vüle Jahr gebauet sei.

 

§ 4

Meister heit mus ich Euch wohl was vragen,

sagt mihr das richtige Maß.

Denn ich mus es auch sagen,

und treibe keinen Spaß.

So sagt mihr an wie Lang

das ich den First abmessen kann.

 

Mäister

 

Gesell

 

§ 5

O - Meister was ist uns geschen,

so was hab ich inn meinem Leben noch nih gesehen.

Wie hat euch dieser Bau betrogen,

oder es ist mein Maß verlogen.

Um zwei bis drei Schuh hat er zuwenig,

und soll doch sein dabei der König.

Meister, was vangen wihr nun an,

stuken das komt mich wohl hart an

Und es wird uns schon die Zeit verrinnen

ihr mist euch schnell auf etwas anderes besinnen.

Also Meister was wollen wir jetzt thun

 

Meisters antwort Streken

 

Nun so komt her Ihr aufriechts Leit

und helft mihr den First auch streken

 

Meister und Gesellen,

 

helft mihr den First ins rechte Maß zu stellen.

Jetzt zihts nur zu, u. schlagds braf drann

und ich selber will zihen wie ein alter Mann

eins zwei drei

jetzt ists vorbei.

 

Jetzt schweiget stiel, ich gebith Ruh

ich mein es wird schon sein genug.

Ich darf mihr aber doch nicht drauen

ich mus nochmals selber schauen

 

§ 6

Aber Meister jetzt habt Ihr eine Kunst erdacht

und den First ins rechte Maß gebrcht. (=gebracht)

Jetzt hat er übers Maß einen Schuh,

und noch ein rechtes thrum dazu

 

§ 7

Nun, Gottlob jetzt ist es volbracht

jetzt haben wier alles wohl gemacht

Zimmern hauen Nageln vügen

das soll von Herzen uns genihgen.

Gott sei davor gebrüsen

das Ehr uns hat die Gnad erwießen

 

§ 8

Hochverehrter bau Herr deßgleichen auch die Frau

komt jetzt beide her, u. beschauet euren Bau.

Es ist alles wohl verwahrt, u. auch gut hergestelt

damit keine Müh u. Fleiß gespart, das er nicht zusamen felt.

Lobet auch des Meisters fleiß

samd der Kunst hier meine Brüder

Den Ehr bracht uns auf manche weis

zum rechten Maße wieder.

Gott wird ihm noch verners geben

ein gesundes langes Leben

Das Ehr wird noch vühle Häisar bauen

und seine Kunst noch mehr beschauen.

 

§ 9

Den weil das bauen Gott dem Herrn so gefält

hat er erschaffen die ganze Weld.

Himmel Erde u. das Mehr,

was kann der Mensch begreifen mehr

Alles hat er erschaffen in 6 Tagen

wie uns die heilige Schrüft thut sagen

Die 6 Tage bedeiten die Arbeitszeit

am 7. volgt dann die Ruh zur Ewigkeit

 

§ 10

Dier großer Gott danken wier für deine Gnaden

das schon wider ein Bau ist aufgerichtet ohne Schaden.

Durch viele Arbeit Müh u. Schwäiß

haben wihr gebauet mit gröstem Fleiß

Dieses Haus wies mann will haben,

weil wier durften nichts dran sparren

 

§ 11

Zu dier O - gott u. schopfer (=Schöpfer) wollen wier sich wenden

um dier die Danksagung zu übersenden

Vür all die Gnaden die wier bisher genoßen

du wirst deine Kinder auch verners nicht verstoßen

Du wirst uns mit keinem Krieg betrüben

das wier werden diesen Bau glücklich volführen

 

§ 12

Dir O - gott sei dieser Bau in Gnad empfohlen

um deinen Schutz um den wier Bitten wollen

Der bleibe stets ober diesem Haus

u. beschütze wer geht ein u. aus

Behüte sie vor Seel u. Leibs gevahren

u. vor allem Unglück wirst du sie bewahren.

 

§ 13

Maria die Mutter aller Gnaden

du wirst uns beschützen u. bewahren.

Bütte deinen Sohn er wolle uns verschonen

u. für all unser Kreiz u. Müh dorth ewiglich Belohnen.

 

§ 14

Patronen des gerüchts euch Ruffen wier jetzt an

u. zuerst dich O - heilicher Flohrian.

Das du dieses Haus von Feuersnöthen

welches uns eben so Armm macht wirst errethen

Dich O - heilicher Flohrian will ich bitten

das du dieses Haus wirst von allem Unglück behüten

 

§ 15

O - du großer Himmelsfürst sankt St. St. so eben

der Du der Pfarrei St. St. bist zum schutzpathron gegeben

Dich büthen wier flehendlich u. fallen dier zu Füssen

laß all deinen Schutz unsere Kinder genüssen

Wache über sie u. erhalte uns von Sünden

das wier alle einst mit Dier den Weeg zum Himmel finden

 

§ 16

Aber jetzt wird aus dem Ernst A - gspaß

jetzt rinth geh das Bier in ein anderes Vaß

Wenn ich jetzt wüste alle Gedanken

so wolt ich gesund machen alle Kranken

Und wen ich könte alte Wäiber jung machen

da wolth ich mehr gewinnen

als wenn ich kennthe Saiden spinnen.

Und wenn ich känte aller kinstler Kunst

u. hette bei allen Medchen die Gunst

Und wieste aller althen Waiber witz,

so wolt ich Laufen auf einer Stadel spitz.

 

§ 17

Aber weil ich dieses alles nicht kann haben

so will ich den Meister zu diesem Fest einladen

Jetzt wollen wiehr einen neuen Bau aufführen

u. dem Bauherrn seine Hofstat zieren

Hier soll er seine Wohnung finden

mit der Baufrau samt den Kinden

Hier soll er seine Zeit u. Ruh genüssen

bies er einst wierd sein Leben beschliesen.

Dann winsch ich im die Himmels Freud

da wird er vergessen all sein Laid.

 

§ 18

Der Bauher bedankt sich nun bei euch

befreinden wier nachbars Laid

für all die hilf die ihr ihm geleistet

Er wirds euch in keiner Zeit vergessen

der reiche Gott wirts euch Ersetzen

Weil Ihr mit so milden Handen

fest so getreilich beigestanden.

 

§ 19

Ich stehe nun hier oben auf den Spitzen

u. bitte Gott er wolle auch von allem Unglük beschützen

O - Gott laß Blühen alle Zweigelein

Handel u. Wandel sollen gesegnet sein.

dann wird Gott durch seinen Seegen

eure Baukosten wieder erlegen.

 

§ 20

Es leben auch alle und jehne Zimmerleit

Besonders unser Mäister u. seine Gesellen insonderheit

Er wolle vohlführen noch viehle gebäuden

Hier ringum in diesen Pfarrein

 

§ 21

Heüt hat mich mein Mäister als Zimmergesell

zum Firstabmessen hieher bestellt,

Um euch alle Freündlichst zu grüßen

Jetzt werd ich aber bald mein Reden beschlüßen

Doch velt mir noch was ein

es wird aber sehr wenig sein

Da wier haben aufgerichtet im Jahre 18 . .

durch viele Müh u. Fleis

so frag ich meinen hochgeerthen Bauherrn aus frischem Muth

Ob im dieser Bau gefallen thut

gefalt er ihm Wohl so ist es Recht

weh aber nicht so ist es schlecht

 

also Bauherr wie gefelt dir dieser Bau

 

§ 22

Nun da der Bauherr selbst thut seehen

das dieser Bau thut herlich Stehen

So wird er keinen anfall daran haben

u. uns Zimmerleit herlich begaben

Im Essen u. Trinken wis ist der Brauch

u. ein gutes Trinkgelt auch

Gibt Er u. Gulden b. 3- oder 4-

so gehen wihr zum Bier

Gibt er uns aber 8- oder 9-

so gehen wihr gar zum Wein

Sol dieses aber nicht geschehen bald

so wolt ich winschen das dieser Bau

Händ u. Füß bekome u. liefe in den Wald

Soll dieses aber geschehen mit guten Worten u. freindlichen Sütten

so wollen wier den Lieben Gott biten

Das er den Bauherrn lasse gesund

biß der Has fangt den Hund

Und ein Igel wigt ein Pfund

 

§ 23

Jetzt winsch ich noch der Baufrau Glück

das sie werde in diesem Hause wonen nach Gottes geschük

Mit vielen Kindern krönen

dieses Haus recht auf und abspazieren

Nach einer langen Lebens zeit

Und als eine Muter darinn Regiren

darnach Die ewige Selikeit.

 

§ 24

Jetzt Bauherr werd ich mich bald umsehen

ob ich keinen Kamerad sich Stehen

Mit einer Kanten Wäin

der mir deht schenken ein

Ich wolte mich Hübsch darnach lenken

u. an meinen hochgeerthen Bauhern denken

Und Trinke dann auf seine gelibten Leit

eine Frische guthe gesundheit

 

§ 25

Nun Bauherr jetzt will ichs euch bringen

aus Lieb und aus Lust

Steht aus Hunger oder Durst

nicht aus Haß u. nicht aus Straid

sondern aus lauter Lieb u. guter Gesundheit.

 

Jetzt komt das Gesundheit trinken

 

§ 26

Jetzt Bauherr wolt ich Euch dieses Glas gern reichen

aber es ist mir zu weit

u. kein Pfert gebt ihr mir nicht das ich hinunter Reit

Zu hoch ist es mir zum hinunter Springen

ich laß es halt auf die Erde klingen

und soll es zu tausend Scherben zerspringen

Aber halt sie (=sehe) schon eine Jungfrau warten

die wird das Glas geschikt aufhalten

und bekomt sie es nicht ganz, so doch die Scherben.

 

§ 27

Jetzt geht noch ab inn diesem Haus

der wohlgezirthe Maienstraus

Aber halt es Sthet schon einer hinter mir

welcher die zirte dieses Hausses fürth

Er ist wirklich schön gebunden

von einer Jungfrau Hand gewunden

Er soll komen auf dieses Haus

dieser wohlgezierthe Mäienstraus

Dann ist mein Wunsch erfilt

und mein Verlangen ist gestilt

 

S 28

Jetzt Bauherr Wein her das ein Müehlsrad treibt

Gesotenes u. Gebratenes das sich die Thüsche biegen

Musikanten her das die Seiten klingen

dann wird unser Mäister fröhlich singen

u. wier Gesellen lustig Springen

den die Gidikeit des Kochs

die mildigkeit des Beken

Und die freigebikeit des Kälners

sei u. bleibe alle Zeit bei uns

jetzt sind meine Reden volbracht

und ich winsche auch allen eine gute Nacht.

 

 

Joseph Straus

Zimerpaliehr

in O - engen

1879